Was es nicht so alles gibt...
im Ausland sind Urlauber einerseits beliebt, weil sie dort den Tourismus ankurbeln. Auf der anderen Seite werden sie aber auch gefürchtet. Viele gelten als äußerst pingelig. Allerdings haben Urlauber auch skurrile Erlebnisse und müssen manchmal sogar einige Zumutungen ertragen. Bloße Unannehmlichkeit oder Reisemangel? Das müssen oft die Richter entscheiden. Um Sie etwas in Urlaubslaune zu bringen, lädt die Redaktion von anwalt.de Sie auf eine rechtliche Rundreise der etwas anderen Art ein.
Auch in dieser Reisesaison wird sich mancher Urlauber wie ein Kamel in der Servicewüste vorkommen.
1. Tag: Die Bahn macht mobil
Das musste der Fahrgast eines ICE auf eine eher unangenehme Weise erfahren. Auf der Fahrt mit dem ICE von Frankfurt nach Dresden waren alle Toiletten bis auf eine wegen Wassermangels geschlossen. Man kann sich in etwa vorstellen, was der Fahrgast durchmachte. Mehr als zwei Stunden musste er sein dringendes Bedürfnis zurückhalten, bis sich schließlich eine Zugbegleiterin erbarmte und ihm eine Toilette aufschloss. Nachdem die Bahn den Fahrgast mit 100 Euro entschädigt hatte, sprach ihm das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main weitere 300 Euro Schmerzensgeld zu (AG Frankfurt a. M., Urteil v. 25.04.2002, Az.: 32 C 261/01).
2. Tag: Turbulenzen im Flugzeug
Vielleicht lag es ja an einer ausgefallenen Klimaanlage im Zug, dass ein Urlauber total verschwitzt am Flughafen ankam? Jedenfalls beschwerte sich im Flugzeug seine Sitznachbarin so vehement über seinen Schweißgeruch, dass der Mann kurzerhand aus dem Flieger befördert wurde und seine Reise erst einen Tag später fortsetzen konnte. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gewährte ihm deshalb Schadensersatz nach dem Montrealer Abkommen. Nach Ansicht der Richter hätte es schon beim Check-in auffallen müssen, dass der Mann müffelte. Zu diesem Zeitpunkt, als er noch Zugriff auf sein Reisegepäck hatte, hätte er das Problem leicht beheben können (OLG Düsseldorf, Urteil v. 31.01.2007, Az.: 18 U 110/06).
3. Tag: „Gründinen“ am Pool
Wer eine echte Blondine von einer falschen unterscheiden will, sollte vielleicht nach Mallorca in den Urlaub fahren. Dort standen einer Urlauberin vermutlich die Haare zu Berge, nachdem ihre Tochter dem Swimmingpool entstiegen war. Ihr blondes Haar war durch das Nass grün verfärbt worden. Im Hotel war es schon anderen Blondinen ähnlich ergangen. Es stellte sich heraus, dass zu viel Chlor im Wasser die Ursache für den Farbwechsel war. Das Amtsgericht Bad Homburg sprach der Frau einen Reisepreisminderungsanspruch von 10 Prozent zu, berücksichtigte dabei allerdings ein Mitverschulden der Tochter. Nach ihrer Ansicht hätte sie eine Badekappe aufsetzen können (AG Bad Homburg, Urteil v. 30.06.1998, Az.: 2 C 109-97-10).
4. Tag: Reste-Restaurant
Natürlich darf auf einer Reise das leibliche Wohl nicht zu kurz kommen. Ein Teilnehmer einer Nilkreuzfahrt forderte Geld, weil ihm das Büfett an Bord zu eintönig war, denn es gab keine Kartoffeln und Pommes. Das Amtsgericht Hamburg stellte fest: In der Ferne muss man auch mal auf die tolle Knolle verzichten (AG Hamburg, Urteil v. 17.06.2010, Az.: 8B C 419/09). Doch man streitet sich nicht nur darüber, was auf den Teller kommt. Auch wegen Trinkgefäßen ziehen Urlauber schon einmal vor Gericht. Wer ein Mittelklassehotel mit drei Sternen bucht, muss seine Getränke auch einmal aus Plastikbechern zu sich nehmen (AG Duisburg, Urteil v. 04.02.2010, Az.: 53 C 4617/09). Und auf einer Almhütte kann man Sekt auch aus Saftgläsern trinken, stellte das Amtsgericht Offenburg fest (AG Offenburg, Urteil v. 23.05.1995, Az.: 1 C 357/94). Na dann, Prost!
5. Tag: Atmosphärische Störung
Zu jedem gepflegten Essen gehören auch gepflegte Gäste. Das dachte sich auch ein Urlauber, der sich in einem 5-Sterne-Hotel der Landeskategorie über Gäste echauffierte, die mit Badekleidung zum Frühstück erschienen. Seine Mäkelei ließ das Landgericht (LG) Düsseldorf jedoch kalt. Schließlich war keine Kleiderordnung vorgeschrieben (LG Düsseldorf, Urteil v. 18.05.2001, Az.: 22 S 54/00). Einen anderen Urlauber störte es, dass während des Essens ständig Handys klingelten. Auch das ist laut dem Amtsgericht Potsdam kein Grund zur Beanstandung (AG Potsdam, Urteil v. 17.04.2003, Az.: 27 C 50/03).
6. Tag: Unter Niveau
Für etwas Besseres hielt sich ein Tunesienurlauber. Er hatte ein 5-Sterne-Hotel gebucht, in dem einige Touristen aus einem benachbarten 3-Sterne-Hotel untergebracht worden waren. Diese Gäste entsprächen nicht seinem Niveau, weil sie nicht die finanziellen Mittel für einen Aufenthalt in einem 5-Sterne-Hotel hätten, so der Luxusgast. Zudem seien manche dieser Gäste durch unangenehmen Körpergeruch und Rülpsen aufgefallen. Das Amtsgericht Hamburg wies den Nörgler in seine Grenzen: In Zeiten des Massentourismus sei es allen Bevölkerungsschichten möglich, Fernreisen zu machen. Daher gebe es auch für ein Luxushotel kein spezielles Publikum mehr. Außerdem sei kein Zusammenhang zwischen Familieneinkommen und öffentlichem Benehmen ersichtlich, so der Richter (AG Hamburg, Urteil v. 07.03.1995, Az.: 9 C 2334/94).
7. Tag: Pöbelei inklusive
Betrunkene und pöbelnde Hotelgäste können ein Ärgernis sein. Doch wer eine All-inclusive-Reise bucht, muss damit rechnen, dass in Hotels mit solchen Angeboten auch mehr Alkohol getrunken wird, als wenn man jeden Drink einzeln bezahlen müsste. Jedenfalls war das Landgericht Kleve dieser Meinung und wies die Klage eines Urlaubers ab, der von betrunkenen Gästen immer wieder angepöbelt worden war (LG Kleve, Urteil v. 23.11.2000, Az.: 6 S 369/00). Aber zum Glück müssen sich Hotelgäste nicht alles gefallen lassen, auch nicht vom Hotelpersonal. In einem türkischen Hotel wurden täglich die Taschen der Hotelgäste kontrolliert. Auf diese Weise wollte man vermeiden, dass die Gäste Getränke und Speisen auf ihre Zimmer mitnehmen. Die Taschenkontrolle geht eindeutig zu weit und ist ein Reisemangel, urteilte das Amtsgericht Kleve (AG Kleve, Urteil v. 03.11.2000, Az.: 3 C 346/00).
8. Tag: Auf heißer Safari
Wer auf eine Safari geht, der möchte unberührte Wildnis erleben und möglichst viele interessante Tiere sehen. Allerdings können sich sogar Tierfreunde äußerst wählerisch zeigen. So auch ein Safariteilnehmer, weil in seine Zeltunterkunft Ungeziefer hineingekrabbelt war. Doch der Richter wies seine Klage ab und stellte fest: Bei Zeltunterkünften ist es typisch, dass Ungeziefer in die Zelte gelangen kann (LG Berlin, Urteil v. 30.07.2010, Az.: 15 S 33/09).
9. Tag: Ein Affentheater
Affen finden sich übrigens nicht nur in der Wildnis oder im Zoo, sondern manchmal auch im Hotel. Mancherorts füttern Urlauber die possierlichen Tierchen regelrecht an. Aber das kann schiefgehen. Eine Kenia-Urlauberin wollte vom Reiseveranstalter Schadensersatz, weil sie im Hotel von einem Affen gebissen worden war. Doch das Amtsgericht München wies die Klage ab. Selbst ein Zaun hätte die Kletterkünstler nicht von der Hotelanlage abgehalten. Von einem wilden Affen gebissen zu werden, gehöre daher in Kenia zum allgemeinen Lebensrisiko (AG München, Urteil v. 08.12.1995, Az.: 111 C 24235/95).
10. Tag: Hund an Bord
Auf einem Kreuzfahrtschiff wollte ein Ehepaar seinen Urlaub genießen. Mit an Bord war jedoch der Hund eines Artisten, der mit seinem Herrchen für die abendliche Unterhaltung sorgte. Weil es auf hoher See weder Baum noch Wiese gibt, musste der Vierbeiner zweimal pro Tag sein Geschäft auf dem Passagierdeck verrichten. Die Hinterlassenschaft wurde dann mit Wasser von Bord gespült. Trotzdem stank das Ganze dem Ehepaar gewaltig. Der Richter zeigte jedoch ein Herz für Hunde und wies die Klage der Eheleute ab (AG Offenbach, Urteil v. 23.03.2009, Az.: 340 C 29/08).
11. Tag: Gutes Wetter, schlechtes Wetter
Leider kann auch am idyllischsten Urlaubsort die schönste Zeit im Jahr einmal sprichwörtlich ins Wasser fallen. So erging es auch einer Familie, die auf den Seychellen ihren Urlaub mit Baden und Schnorcheln verbringen wollte. Statt Sonnenschein herrschte Sturm und hoher Wellengang, sodass die Urlauber keinen Wassersport treiben konnten. Ihre Klage auf Reisepreisminderung hatte aber keinen Erfolg. Das Wetterrisiko muss allein der Urlauber schultern, der Veranstalter kann nicht für das Wetter verantwortlich gemacht werden (LG Hannover, Urteil v. 17.08.2009, Az.: 1 O 209/07). Für einen Teilnehmer einer Arktis-Kreuzfahrt war das Wetter hingegen eher zu gut: Statt meterdicken Packeises - wie im Prospekt angegeben - durchfuhr das Schiff weitestgehend eisfreies Wasser. Für das entgangene Erlebnis im Packeis sprach das Oberlandesgericht Hamburg dem Arktisliebhaber zehn Prozent des Reisepreises zu (OLG Hamburg, Urteil v. 14.08.2008, Az.: 9 U 92/08).
12. Tag: Netrebko-Trip
Über Sangeskunst lässt sich trefflich streiten - auch im Urlaub. Zwei Klassikfans hatten eine Kulturreise durch die Toskana gebucht. Höhepunkt sollte ein Konzert mit Anna Netrebko sein. Doch statt der Diva kam die Opernsängerin Cecilia Bartoli. Die erbosten Musikliebhaber bekamen eine Reisepreisminderung von 40 Prozent zugesprochen (LG Hannover, Urteil v. 23.06.2009, Az.: 18 S 74/08). In der Türkei fühlte sich eine Urlauberin von den Rufen eines Muezzins belästigt. Aber das Amtsgericht Düsseldorf entschied: Wer in der Türkei Urlaub macht, muss damit rechnen, auch die Gebetsrufe zu vernehmen (AG Düsseldorf, Urteil v. 24.10.2008, Az.: 48 C 5461/08).
13. Tag: Unheimlich einheimisch
Wer im Ausland auf Reisen ist, von dem erwartet man eigentlich, dass er nicht nur Land, sondern auch Menschen kennenlernen möchte. Aber Vorsicht vor vorschnellen Schlüssen! Es gibt anscheinend Urlauber, die auch im Ausland unter sich bleiben möchten. Ein Ehepaar verbrachte seinen Urlaub auf Mauritius. Am Strand trafen sie auf Einheimische, die ein rauschendes Fest feierten. Doch anstatt mitzufeiern, zogen beide vor Gericht und forderten Geld zurück. Der fassungslose Richter wies die Klage ab (AG Aschaffenburg, Urteil v. 19.12.1996, Az.: 13 C 3517/95). Kein Wunder. Schließlich gibt es nicht nur im Ausland Einheimische.
14. Tag: Vor Gericht
Zugegeben, einige der Beispiele gehören zu einem ganzen Paket von Beschwerden unzufriedener Reisender. Und bei Reisemängeln ist man beinahe zur Pedanterie gezwungen. Denn vor Gericht muss jeder einzelne Fehler des Reiseveranstalters detailliert belegt werden (z. B. LG Kleve, Urteil vom 23. Oktober 2001, Az.: 3 O 46/01).
Zum Schluss ein Rat für Reisende und Daheimgebliebene gleichermaßen:
Wer sich über Kleinigkeiten aufregt, verdirbt sich oft nur selbst den Urlaub......