Ich bin übrigens der Meinung, dass in diesem Forum durchaus auch politische Diskussionen stattfinden sollten. Für mich ist Alanya meine (neue) Heimat und ich bin von Haus aus politisch... wenn auch bei manchen Dingen etwas gegen den im deutschsprachigen Raum allgemein anerkannten Strich gebürstet. Ich habe im Gegensatz zu vielen Sofarevolutionären in Deutschland (sorry für den Ausdrück, aber mti der Fernbedienung in der Hand hat noch nie einer etwas geändert....) die Entwicklung der letzten Jahre hautnah miterlebt und kann immer noch viele Leute verstehen, die pro AKP sind (selbst bei denen sind viele dabei, die nicht gerade für Erdogan schwärmen, aber aus der Erfahrung der 10 Jahrenplus/minus um die Jahrtausendwende diesen zähneknirschend als kleinstes Übel akzeptieren. Wie den despotischen Onkel, den man quasi mitgeheiratet hat
Das muss man sich mal im Mund zergehen lassen:
Gewaltenteilung des Landes faktisch aufgehoben und die Generalität der Türkei, die in der Vergangenheit gerne mal undemokratische Strukturen wegputschte, entmachtet hat.
Da sind soviele Widersprüche in einem Satz, ich weiss gar nicht, wo man da anfangen soll...
Eine wirkliche Gewaltenteilung gab es nie in der Türkei, jahrzehntelang gab es pseudodemokratische Regierungen unter der Aufsicht der Militärherrschaft. Nur hat das niemanden gestört, denn die Militärs als "Unreligiöse2 waren ja per se die Guten, genauso wie die Religiösen die Bösen waren. Noch Mitte der Neunziger wären vermutlich bei Protesten wie Gezi nicht Wasserwerfer und Polizisten, sondern Soldaten und Panzer aufmarschiert... bzw. hätte sich kein Mensch getraut, überhaupt so einen Protest anzuzetteln. Das Schicksal von Tausenden Menschen, Studenten, Bürgerrechtlern, Journalisten und einfach Leuten, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren, ist auch heute noch ungeklärt - Im Rahmen der Studie mit dem Namen „Konuşulmayan Gerçek: Zorla Kaybetmeler“ („Die unausgesprochene Wahrheit über das „Verschwinden lassen“) wurden in zwei Bänden Fälle dokumentiert, in denen Menschen, meist kurdische Oppositionelle oder Aktivisten, „während der Haft verschwanden“. Dazu gab es einen sehr guten Artikel, der aber (komischerweise??) sehr schnell wieder aus dem Netz verschwand. Hier mehr Infos:
http://www.hakikatadalethafiza.org/default.aspx?LngId=5 (englisch).
Man liest immer wieder, dass in keinem Land der Welt so viele Journalisten und Oppositionelle in Haft sitzen... es gibt aber keinerlei verlässliche Zahlen darüber, wieviele in den Neunziger Jahren aus denselben Gründen hinter Schloss und Riegel verschwanden. Es INTERESSIERT gerade im Westen aber auch niemanden, vielmehr stricken sehr viele an der Legende des Militärs als Hüter der Demokratie mit. Dem Militär ging es nie um so hehre Werte wie Meinungsfreiheit und Menschenrechte, um freie und demokratische Strukturen in einer Zivilgesellschaft. Es ging schon immer nur um Machterhalt und Sicherung der eigenen Pfründen.
Erdogan IST ein Populist, Machtmensch und ein brandgefährlicher Politiker, da stimme ich Euch zu. Und für viele gemäßigte AKP-Anhänger ist es auch beunruhigend zu sehen, was da in letzter Zeit alles verlautbart wird.... Und das ist nicht nur die Religion, da denke ich auch an den Umweltschutz etc. - nicht schön... eine Palastrevolution innerhalb der AKP ist unwahrscheinlich, da alle viel zu sehr auf Erdogan fixiert sind und es einfach nicht üblich ist in der Türkei, dass man sich gegen seinen "Chef" auflehnt.
Leider ist es aber auch so, dass ein guter Teil seiner Macht und seiner Kraft darauf beruht, dass es nach wie vor keine Alternative gibt, da die Opposition ein jämmerliches Bild abgibt. Die anderen Parteien versuchen entweder eine AKP light zu werden (MHP) oder haben als Programm "wir machen alles ganz anders, wissen aber noch nicht wie" (CHP) Alle anderen Parteien sind nicht von Belang. DAS ist auch eine Entwicklung, die durch die unglaublich hohen Hürden für neue Parteigründungen (eine Partei muss in drei Städten in ALLEN Stadtteilen Büros eröffnen, Wahlhilfe gibt es erst ab 7% Wählerstimmen) und die undemokratische 10%-Hürde, die von den Vorgängerregierungen bzw. den "Hütern der Demokratie" *hust*
eingeführt wurde, um die eigenen Machtstrukturen zu sichern. Sehr sehr viele, die damals knochenharte Kemalisten und Antireligiöse waren, spielen sich heute als Hüter der islamischen Moral auf, weil es opprortun war und weil man sich immer dahin bettet, wo die besten Pöstchen vergeben werden. (nach dem Motto "die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche").
So. Das war nun mal mein Senf dazu....